Geschichte und Entwicklung |
Die Entwicklung der Jaguar-Konsole beginnt im Grunde am 1. Juni 1990. Arcbase Limited, ein Elektronikunternehmen aus Großbritannien, benennt sich in Flare II Limited um und gibt Atari eine Mehrheitsbeteiligung von 80%. Die Geschäftsführer sind John Mathieson und Martin Brennan, die auch schon Flare Limited geleitet haben, dort das Konix Multisystem entwickelten und derzeit noch am Projekt
Panther arbeiten. Die beiden sollen, zusammen mit dem ehemaligen Perihelion Hardware-Designer Timothy Dunn, im Auftrag Ataris zum Einen das Projekt Panther fertigstellen und zum Anderen eine Konsole entwickeln, die technisch Segas Genesis und das Super Nintendo Entertainment System technisch in den Schatten stellen, aber trotzdem günstig zu produzieren sein soll. Nach der Bestätigung der Gerüchte über eine neue Spielkonsole aus dem Hause Atari im Mai 1991 und der ersten offiziellen Ankündigung Ende 1992 wurde die fertige Konsole erstmals im Juni 1993 auf der Summer CES präsentiert, eine offizielle Vorstellung gab es dann im darauffolgenden August in der Atari-Zentrale in Sunnyvale. Produziert werden sollte die Konsole vom Computerriesen IBM, mit dem ein 500-Millionen-Dollar-Deal ausgehandelt wurde – Atari hatte zu dieser Zeit bereits keine hauseigenen Fertigungsstätten mehr. Ab November 1993 konnte man die Konsole in New York City und San Francisco für 249 Dollar kaufen, der Rest des Landes hatte erst ab dem Frühjahr 1994 die Gelegenheit, die übrige Welt musste sich sogar bis Ende 1994 gedulden, und bekam sie dann nur in limitierten Stückzahlen – statt der versprochenen 250.000 Jaguar-Einheiten wurden laut Atari-Sprecher Darryl Still bis Anfang Dezember 1994 nur 25.000 nach Europa verschifft, weitere 25.000 folgten bis 23. Dezember. Gleich zu Beginn hatte der Jaguar mit Schwierigkeiten zu kämpfen – es fehlte noch an einer Zielgruppe und es war nur ein einziges Spiel erhältlich (
Cybermorph, wobei Atari vollmundig ankündigte, dass bereits Dutzende weitere Spiele in der Entwicklungsphase seien). Zwar wurde bereits im Dezember mit dem ursprüglich für den Panther geplanten Titel
Trevor McFur in the Crescent Galaxy nachgelegt, doch weitere erwartete Veröffentlichungen wurden verschoben oder blieben ganz aus. So wurden zu Marktstart nur ganze 17.000 Geräte abgesetzt, im gesamten Jahr 1994 waren es nur 100.000 Konsolen. Zum Vergleich: Der Handheld
Lynx kam in den ersten zwei Monaten schon auf 50.000 verkaufte Einheiten, im Folgejahr kamen 500.000 weitere dazu. Schließlich wurde Ende 1994 der Preis gesenkt, um die Konsole wettbewerbsfähiger zu machen. Auf der Winter CES 1995 wurde erstmals das Nachfolgemodell
Jaguar·Duo vorgestellt, welches das ebenfalls noch nicht erschienene
CD-Laufwerk beinhalten sollte. Als dann 1995 die Konsolen Sega Saturn (Mai) und Sony PlayStation (September) erschienen, gingen die Verkaufszahlen des Jaguar schlagartig in den Keller. Im Jahresbericht von 1995 heißt es, dass die Absatzzahlen weit unter den Erwartungen des Managements liege und dass das finanzielle Ergebnis der Firma massiv durch die Investitionen in den Entwicklungsbereich und die Lizenzierungen beeinträchtigt werde. Atari führte die schwachen Verkaufszahlen richtigerweise auf die massiven Verspätungen in der Spieleentwicklung zurück, wodurch auch zukünftige Käufer abgeschreckt wurden – schließlich konnte niemand sagen, ob, und wenn ja, wann neue Spiele für die Konsole herauskommen würden. Atari hatte mittlerweile wieder mit ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen, so dass auch das Marketing nicht so ausfallen konnte, wie es für die Konsole notwendig gewesen wäre. Der Umsatz fiel von 38,7 Mio. Dollar im Jahr 1994 auf nur noch 14,6 Mio. Dollar im Jahr 1995. Im Wege stand dem Jaguar dabei sicherlich auch die komplizierte Systemarchitektur, durch die für das System nur sehr schwer zu programmieren war. Die schlechten Verkaufszahlen, restriktive Lizenzbedingungen seitens des Atari-Managements, schon lange versprochene und nicht erschienene Hardwareerweiterungen und auch die schlechten Kritiken hielten Drittanbieter davon ab, weiterhin Spiele für den Jaguar zu entwickeln – dabei waren schon Titel wie FIFA und die Need for Speed-Reihe für den Jaguar geplant, die dann eben auf PlayStation, Saturn und anderen Plattformen erschienen. Viel zu spät brachte Atari dann im September 1995 das
Jaguar CD-Laufwerk in den Handel und legte im Oktober mit einem
verbesserten Controller nach. Letztendlich wurden im gesamten Produktionszeitraum von November 1993 bis August 1995 nur 135.000 Konsolen verkauft, weitere 90.000 Geräte befanden sich Ende 1995 noch immer im Lager. Ab Sommer 1995 wurden daher auch keine neuen Produktionsaufträge mehr an IBM geschickt, das von Philips produzierte CD-Laufwerk wurde nach der zweiten Charge im Dezember 1995 bereits wieder eingestellt. Im November 1995 wurde die gesamte Entwicklermannschaft entlassen – der Legende nach durch einen Wutanfall Jack Tramiels, der einen Jaguar an die Wand geworfen und gebrüllt haben soll:
„Ihr könnt alle eure Koffer packen, euer Spielzeug nehme ich euch weg!“ Ende 1995 wurde eine massive TV-Kampagne gestartet, in der überenthusiastische Verkäufer das System in den höchsten Tönen anpriesen – Ziel war es, die hohen Lagerbestände möglichst schnell an den Mann zu bringen und danach aus der Hardwareproduktion vollständig auszusteigen. Damit ist auch zu erklären, warum zu dieser Zeit noch einmal vermehrt neue Jaguar-Spiele auf den Markt kamen. Im April 1996 erschien mit
Fight For Life das letzte Spiel aus dem Hause Atari.
Atari Jaguar Einzelne Bilder zum Vergrößern anklicken |
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Der technische Support wurde noch bis 1998 von Atari bzw. der Atari Division von JTS aufrechterhalten, im Mai 1999 gab der neue Rechteinhaber Hasbro die Rechte frei, womit der Jaguar zur Public Domain-Plattform wurde. Kurz darauf brachten Firmen wie Telegames und Songbird Productions noch einmal Spiele für das System auf den Markt, bei diesen handelt es sich meist um noch bei Atari entwickelte Spiele, zum Teil waren diese noch gar nicht fertiggestellt. Die britische Handelskette Game brachte den Jaguar 2001 erneut in den Handel, die Konsole war dabei schon für £29,99 zu haben, Spiele für £9,99, seltenere Spiele für £39,99. 2007 wurde der Jaguar dann ausgelistet, Restbestände der Konsole für £9,99, die Spiele für £0,97 das Stück verscherbelt. Der Dentalkamera-Hersteller Imagin Systems kaufte die Gussformen für das Jaguar-Gehäuse sowie die Steckmodule auf. Daraus entstanden dann die Gehäuse der HotRod-Dentalkameras und die Erweiterungskarten dafür. Mike Kennedy vom Retro Videogame Magazine kaufte die Gussformen dann im Dezember 2014 auf, geplant war, damit eine Crowdfunding-finanzierte Retro-Konsole namens
Retro VGS bzw.
Coleco Chameleon zu produzieren. Aufgrund mangelnder Erfolgsaussichten sowie persönlicher Kritik an Kennedy wurde das Vorhaben im März 2016 aufgegeben. Zwei angeblich existierende Prototypen stellten sich als Falschmeldungen heraus, woraufhin Hasbro seine Lizenz zur Nutzung der Marke Coleco zurückzog. Albert Yarusso, Betreiber der Seite
AtariAge, kaufte die Gussformen dann wiederum auf. Bis heute gibt es 69 offiziell erschienene Spiele und mittlerweile eine ganze Reihe an sogenannten Homebrew-Spielen.
Atari vermarktete den Jaguar aggressiv als 64-Bit-System und versuchte so, die Konkurrenz mit ihren 16- und 32-Bit-Konsolen ins Lächerliche zu ziehen. Sieht man sich allerdings die Systemarchitektur genauer an, muss man zu dem Schluss kommen, dass es sich dabei eher um ein 16-/32-Bit-System mit einigen 64-Bit-Elementen handelt. Prozessor und Grafikchip haben jeweils einen 32-Bit-Befehlssatz, senden dabei aber Kontrollsignale an den 64-Bit-Grafikcoprozessor. Die Annahme Ataris, dass die beiden 32-Bit-Prozessoren somit ein 64-Bit-System ergeben würden, wurde vom Magazin
Electronic Gaming Monthly verspottet, denn nach dieser Logik müsste der Sega Saturn ein 112-Bit-Monster sein.
Next Generation hielt den Jaguar dagegen trotz seiner negativen Kritik am System für eine echte 64-Bit-Konsole, da der Datenbus zwischen DRAM auf der einen Seite und Prozessor, Tom und Jerry auf der anderen Seite eine Breite von 64 Bit aufweist. Im Endeffekt verhält es sich also ein bisschen wie bei Schrödingers Katze – der Jaguar ist ein 64-Bit-System und ist kein 64-Bit-System.
Die zu Time Warner gehörende Schwesterfirma Atari Games erwarb 1994 eine Lizenz zur Nutzung der Jaguar-Hardware für ihre Arcadespiele. Atari Games ersetzte dabei je nach geplantem Spiel den 68000 durch den Motorola 68020 oder den MIPS R3000, vergrößerte den Arbeitsspeicher, erweiterte den ROM-Bus auf volle 64-Bit und installierte noch eine Festplatte, genannt wurde das System dann CoJag. Zum Einsatz kam es allerdings nur in den Arcadespielen
Area 51 und
Maximum Force, weitere geplante Spiele wie
3 on 3 Basketball,
Fishin' Frenzy und
Vicious Circle wurden zwar entwickelt, sind aber nie erschienen.
Zum Einsatz kommt hier der schon vom Atari ST bekannte Prozessor Motorola 68000, der hier mit einem Systemtakt von 13,295 MHz versorgt wird. Dieser hat im Jaguar aber eigentlich nur die Aufgabe, die Controllereingaben auszuwerten. Leonard Tramiel gab sogar explizite Anweisung an die Spieleentwickler, den 68000 nicht mit in die Spiele einzubeziehen – was aber nicht immer befolgt wurde, da die Programmierer mit dem Befehlssatz des 68000 bereits vertraut waren.
Die eigentliche Arbeit in der Konsole übernehmen die beiden 32-Bit-CISC-Chips
Tom (Motorola SC414200AT) und
Jerry (Motorola SC414201FT). Tom wird mit 26,59 MHz getaktet und enthält den Grafikprozessor samt 4 kB Arbeitsspeicher und einem erweiterten Befehlssatz für 3D-Anwendungen, den 64-Bit-Blitter, der Hochgeschwindigkeits-Logikoperationen, Z-Buffering und Gouraud-Shading unterstützt, den 64-Bit-Objektprozessor, der seine Befehle direkt vom System erhält und daher nicht programmiert werden kann, sowie den DRAM-Controller. Jerry, ebenfalls mit 26,59 MHz getaktet, beinhaltet den 32-Bit-DSP samt 8 kB internem Arbeitsspeicher, dieser kann Sound in Beinahe-CD-Qualität ausgeben. Die Anzahl der Audiokanäle wird hierbei allein durch die Software festgelegt. Zwei Stereo-DACs wandeln digitale Daten in analoge Tonsignale um. Der DSP unterstützt zudem Wavetable Synthesis, FM Sample Synthesis und AM Synthesis. Daneben beinhaltet Jerry noch den Universal Asynchronous Receiver Transmitter (UART), einen Clock Control Block, diverse Timer und ihm obliegt die Kontrolle der Eingabegeräte.
Mainboard der Jaguar-Konsole
Anschlüsse der Konsole
Allgemeine Informationen |
Modell |
J8001 |
Handelsbezeichnung |
Atari JAGUAR 64-Bit Interactive Multimedia System |
Hersteller |
International Business Machines Corp.
1 Orchard Rd
Armonk, NY 10504-1722
USA
Victor Company of Japan Ltd.
Iwai-shi
Japan
Victor Company of Japan Ltd.
10-1, Ohwatari-Machi
1-Chome
Maebashi-shi, Gunma-Ken, 〒371-8543
Japan
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Factory Code |
K1 (IBM)
M1 (JVC Iwai)
M2 (JVC Maebashi) |
Hersteller Mainboard |
Plexus Corp.
2444 Schultz Dr
Neenah, WI 54956
USA |
Entwicklungsbeginn |
01.06.1990 (Flare II Ltd.) |
Ankündigung |
02.06.1992 (Jahreshauptversammlung, Sunnyvale) |
Erstvorstellung |
18.08.1993 (Atari Corporation, Sunnyvale) |
Im Handel |
23.11.1993 (San Francisco, New York)
24.03.1994 (Los Angeles)
09.12.1994
12/1994
12/1994
12/1994
01.04.1995
2001 (Re-Release durch Game)
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Produktion eingestellt |
12/1995 |
Technische Informationen |
Prozessoren 1+2 |
TOM beinhaltet den DRAM-Speichercontroller, den Objektprozessor, den Grafikchip mit 4 kB SRAM und den Blitter |
Prozessoren 3+4 |
JERRY beinhaltet den DSP (Digitaler Signalprozessor) mit 8 kB SRAM, Timer, Zeitcontroller, Soundchip |
Prozessor 5 |
Motorola 68HC000 16/32-Bit Taktfrequenz 13,295 MHZ (entspricht einer Rechengeschwindigkeit von 1,67 MIPS) CISC-Architektur, 68000 Transistoren Fertigung in CMOS-Technologie SMD-Bauform |
Steuerungen |
Jaguar Controller Jaguar ProController Jaguar VR (nicht veröffentlicht) |
Arbeitsspeicher ab Werk |
2 MB 16-Bit DRAM, mittlere Zugriffszeit 80 ns |
Bildschirmauflösung |
680×450 |
Farbpalette |
16,7 Mio. |
Farbtiefe |
bis 32 Bit |
Sprites |
unbegrenzt |
Audiokanäle |
variabel |
Stromversorgung |
externes Steckernetzteil (Atari J8902, auch separat für $19,95 erhältlich) |
Statistisches |
Neupreise und Preisentwicklung |
11/93: $249,99 (2022: $515)
12/95: $99,00 (2022: $193)
12/94: £199,99 (2022: £386)
2001: £29,99 (2022: £51)
12/94: AU$ 699,00 (2021: AU$ 1286)
12/94: DM 549,00 (2022: € 427)
09/95: DM 299,00 (2022: € 226) (ohne Spiel)
09/95: DM 399,00 (2022: € 302) (mit Spiel)
12/94: ¥29800 (2022: ¥32036)
04/95: Ptas 39990 (2022: € 412)
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Produzierte Einheiten |
ca. 225.000 Konsolen ca. 20.000 CD-Laufwerke |
Anzahl der Spiele |
84+ |
Modellvarianten und Nachfolger |
Anfangs wurde nur das Grundgerät angeboten, auf das das
CD-Laufwerk aufgesetzt werden kann. Es bietet einen RF-Ausgang, einen DSP-Port, einen Erweiterungsport, zwei Controlleranschlüsse und auf der Oberseite den Modulschacht. PAL- und NTSC-Modelle lassen sich anhand der LED unterscheiden, bei PAL-Modellen leuchtet diese grün, bei NTSC-Modellen rot.
Bereits auf der Winter CES 1995 vorgestellt, sollte dieses Modell, das intern sogar
Jaguar III hieß, Ende 1995 das bisherige Jaguar-Modell ablösen. Technisch bleibt dabei alles beim Alten, jedoch ist das CD-Laufwerk in dieser Konsole bereits fest integriert. Der Jaguar·Duo sollte parallel zum
Jaguar² verkauft werden.
Bild mit freundlicher Genehmigung von Atari Explorer
Der Jaguar-Nachfolger mit dem Codenamen
Cobweb bzw.
Midsummer sollte 1996 auf den Markt kommen. Mehr dazu auf
dieser Seite.
Der Jaguar nutzt zwei Arten von Medien: Zum einen sind da die schon von den älteren Atari-Konsolen bekannte Steckmodule, die allerdings nur eine begrenzte Größe von maximal 6 MB aufweisen können. Sie besitzen eine 104-polige Kontaktleiste und sind in einem Kunststoffgehäuse mit einer gebogenen Griffleiste untergebracht. Das eigentlich weitaus interessantere, aber wenig genutzte Medium war die CD, die beim Jaguar ein ganz spezielles Format hat und von keinem anderen System gelesen werden kann. Sie bietet eine Speicherkapazität von maximal 790 MB und bietet somit ganz andere Möglichkeiten in allen Bereichen. Gelesen werden können zudem herkömmliche Audio-CDs und Kodak Photo-CDs.
Letzte Bearbeitung: 28. September 2024