Atari 400 und 800
Die ersten Atari-Computer

Atari 800

Einführung

Als die Computer 400 und 800 im November 1979 das erste Mal verkauft wurden, galten sie bereits als Meilensteine der Computergeschichte, waren sie doch bewusst robust und für damalige Verhältnisse benutzerfreundlich konstruiert worden, damit auch völlig unerfahrene Computerbesitzer einen leichten Einstieg in die elektronische Welt hatten. Von der Fachpresse wurden sie als die grafisch und tontechnisch besten Heimcomputer ihrer Zeit angesehen. Begonnen wurde mit der Entwicklung unter der Leitung von Jay Miner im Januar 1977, als man noch mit Hochdruck an der Spielkonsole Stella arbeitete. Diese Konsole diente auch als Basis zur Entwicklung der Heimcomputer, anfangs konzentrierte man sich dabei auf die Erweiterung der Grafikfähigkeiten des Television Interface Adapters (TIA). Im Frühjahr konnte der Atari-Leitung bereits ein handverdrahteter Prototyp des von Joe Decuir entwickelten Chips ANTIC (Alphanumeric Television Interface Controller) vorgestellt werden und es wurden Machbarkeitsstudien zu möglichen Kombinationen mit anderen elektronischen Baugruppen in Auftrag gegeben. Zu diesen Möglichkeiten zählte natürlich auch die Kombination mit einer Tastatur und der Ansteuerung externer Geräte. Programmieren konnte man seinerzeit nur auf Mainframes von IBM und DEC sowie – mit Einschränkungen – auf den Heimcomputern Altair 8800, Tandy TRS-80, Apple II und Commodore PET 2001. Diese Geräte hatten aber diverse Probleme, so war die Bedienung meist sehr umständlich und die Technik oft unzuverlässig. Interessierten stand auch oftmals der recht hohe Einstandspreis im Wege. Daher lenkte man die Entwicklung bei Atari schnell weg von einem möglichen Nachfolger des Video Computer Systems auf Basis des ANTIC hin zu einem preisgünstigen, benutzerfreundlichen und sicheren Heimcomputer, auch eine zuerst geforderte Kompatibilität zum VCS wurde wieder verworfen. Im August 1977 wurde die Entwicklung von der Firmenleitung bewilligt und das Projekt auf den Namen Colleen getauft. Schon wenig später gelangte man zu der Ansicht, man könne doch zwei Geräte entwickeln: eines wie geplant als Allround-Heimcomputer mit Schreibmaschinentastatur und ein weiteres hauptsächlich zu Unterhaltungszwecken. Im November 1977 wurde das Projekt schließlich aufgeteilt in Colleen und ein zweites Projekt namens Candy (vorläufige Modellnummer C7000). Ein All-in-One-Modell mit Bildschirm ähnlich dem Commodore PET unter dem Namen Elizabeth wurde zwar angeregt, jedoch recht schnell wieder verworfen. Die ursprünglichen Planungen für Colleen umfassten 4 kB Arbeitsspeicher, zwei Modulschächte, mehrere Erweiterungsmöglichkeiten, eine Schreibmaschinentastatur und eine parallele Schnittstelle. Der ANTIC wurde im Januar 1978 fertiggestellt und die Entwicklung konzentrierte sich nun auf zwei weitere Chips namens POKEY (Potentiometer and Keyboard Integrated Circuit, entwickelt von Douglas Neubauer) und CTIA (Color Television Interface Adapter, entwickelt von George McLeod). An der Entwicklung von Candy und Colleen waren außerdem Scott Shiffman (Hardware), Howard Bornstein und der VCS-Programmierer und spätere Activision-Mitgründer Alan Miller (beide für das Betriebssystem zuständig) beteiligt. Im Laufe der Entwicklung von Candy entschied man sich 1978 schließlich doch dazu, dem System eine Tastatur zu spendieren, es sollte allerdings eine leicht zu reinigende und spritzwasserbeständige Folienflachtastatur zum Einsatz kommen, auch die eigentlich nur für Colleen vorgesehene serielle Schnittstelle wurde integriert. Bis dahin kostete die Entwicklung der beiden Systeme bereits zehn Millionen Dollar. In der Zwischenzeit wurde der damals verbreitete MOS 6502 als zentraler Prozessor ausgewählt. Die Abstimmung der Chips ANTIC, CTIA und POKEY auf den 6502 wurde auf einem Cromemco Z-2 durchgeführt. Bis Juni 1978 waren die Hauptplatinen fertig entwickelt, das Design der Computer wurde bereits im April von Kevin McKinsey und Hugh Lee festgelegt. Als Programmiersprache wurde BASIC ausgewählt, da diese auch für Neueinsteiger leicht zu erlernen war. Die zuerst geplante Version der noch jungen Firma Microsoft wurde allerdings abgelehnt, da deren Chef Bill Gates Teststand für Kaufhäuser immer wieder gesetzte Abgabetermine missachtete und das System auch Ataris technischen Anforderungen nicht gerecht wurde. Stattdessen wurde am 6. Oktober 1978 das Softwarehaus Shepardson Microsystems Inc. damit beauftragt, einen BASIC-Dialekt speziell für Candy und Colleen zu entwickeln. Im November wurden Candy und Colleen dann nach ihren geplanten Speichergrößen in 400 (für 4 kB RAM) und 800 (für 8 kB RAM) umbenannt, wobei die Doppelnull in der Modellnummer immer für das Basisgerät stehen sollte. Am 14. Dezember stellte man die beiden Computer in New York vor, im Januar 1979 wurden sie auf der Winter CES in Las Vegas zusammen mit dem Kassettenlaufwerk 410, dem Diskettenlaufwerk 810 und dem Drucker 820 erstmals vorgeführt. Im Juni 1979 wurden die unverbindlichen Preisempfehlungen auf $550 für den 400 und auf $1000 für den 800 festgelegt und beide Systeme der Federal Communications Commission (FCC) zur Abnahme der elektromagnetischen Verträglichkeit vorgelegt. Die Abnahme erfolgte im August, eine wichtige Voraussetzung, um in Nordamerika überhaupt Geräte auf den Markt bringen zu können. Durch eine Preissenkung am Speichermarkt war es möglich, den 400 nun doch mit 8 kB Arbeitsspeicher auszuliefern. Die Produktion der Geräte übernahm die hauseigene Fabrik in Sunnyvale, auf Grund einer Teileknappheit, die die gesamte Branche betraf, konnte die Produktion jedoch erst im Oktober anlaufen und erste Computer waren ab November 1979 bei der US-Kaufhauskette Sears erhältlich. Mit im Lieferumfang war dabei immer das Kassettenlaufwerk 410, das BASIC-Modul und die Educational System Master Cartridge. Im Juni 1980 wurden die Preise auf $629,99 bzw. $1079 angehoben, die Geräte nun einzeln angeboten und der Arbeitsspeicher beider Modelle auf 16 kB aufgestockt. Beide Computer standen in direkter Konkurrenz zu den Modellen Texas Instruments TI-99/4A (16 kB, $500), Apple II+ (16 kB, $1195), Tandy Color Computer (4 oder 16 kB RAM, $399 bzw. $599) und Commodore VC-20 (5 kB RAM, $299). Der Bekanntheitsgrad stieg bis Mitte 1980 derart an, dass Drittanbieter vielversprechende Absatzmöglichkeiten für Hard- und Software witterten. Ein noch weitgehend unerschlossener Bereich für die oft als Spielzeughersteller verspottete Firma war der Bildungssektor, der zu der Zeit von Commodore und Apple dominiert wurde. Hintergrund des Einstiegs in den Bildungsmarkt war die Überlegung, dass Schüler und Studenten bei einer späteren Anschaffung eher auf vertraute Systeme zurückgreifen würden – wenn High Schools und Colleges Atari verwenden würden, würden ihre Schüler die Systeme möglicherweise auch selbst kaufen. Atari vergab spezielle Konditionen an das Bildungswesen und brachte eine Programmreihe namens Talk & Teach Cassette Courseware heraus, außerdem wurde verstärkt auf eine Zusammenarbeit mit der IBM-Tochter Science Research Associates gesetzt, die sich die Förderung von computerbasiertem Unterricht auf die Fahnen geschrieben hat. Bis zum ersten Halbjahr 1981 konnte sich Atari somit als weiterer großer Anbieter von Heimcomputersystemen etablieren, im August 1981 wurde erstmals die Gewinnzone erreicht. Atari investierte auch viel in den Ausbau des Hardwaresektors, die Fortbildung des Kundendienstes und der Vertragshändler sowie die Softwareunterstützung, wozu eine beinahe monatliche Veröffentlichung hauseigener Software, von Drittherstellern publizierte technische Dokumentationen und die Unterstützung unabhängiger Programmierer zählten. Auch die Ausrichtung von Programmierwettbewerben und die Gründung der Publikationsplattform Atari Program Exchange (APX) gehörte dazu. Ab August 1981 wurden die Computer dann auch international vermarktet, lediglich in Frankreich kamen sie wegen der Anpassung an die dort bestehende SECAM-Fernsehnorm erst im September 1982 in den Handel. 1981 wurde das Betriebssystem überarbeitet (OS Version B) und BASIC von Fehlern bereinigt. In diesem Jahr konnte Atari 300000 Computer absetzen, was die Firma weltweit zum Marktführer in der Heimcomputerbranche machte. 1982 brach jedoch ein Preiskrieg zwischen den Mitbewerbern Commodore und Texas Instruments aus und der britische Hersteller Sinclair drängte mit seinem Billigmodell ZX 81 auf den Markt. Atari reagierte und gab ab Januar einen Rabatt von 16 Prozent auf den 800, ab März wurde statt Rabatt dann Software zugegeben, ab Oktober wurde der 800 dann serienmäß nur noch in der höchsten Ausbaustufe mit 48 kB RAM zum gleichen Preis ausgeliefert. Parallel dazu wurde der Kundenservice massiv ausgebaut und die Atari Service Center übernahmen nun auch Beratungs- und Reparaturdienstleistungen sowie Umrüstungen älterer Geräte auf den GTIA-Chip. Durch diesen Ausbau konnten die Computer nun auch in großen Handelsketten wie J.C.Penney, K-mart oder Toys“R“Us mit ungeschultem Personal verkauft werden. Der Vorjahresabsatz wurde auf 600000 verkaufte Computer verdoppelt, zwei Drittel entfielen dabei auf den 400, und Atari konnte seine Marktführerschaft somit erfolgreich verteidigen. Die Nachfolge des 800 trat dann im März 1983 der 1200XL in Nordamerika bzw. ab November 1983 der 800XL weltweit an, der 400 wurde im Oktober vom 600XL abgelöst. Die Produktion der Geräte wurde im Mai 1983 eingestellt, im September 1984 lag der Preis eines neuen 800 dann bei nur noch $165.

Atari 400 und 800

Letzte Seitenbearbeitung: 8. Oktober 2023