Die Arbeiten an einem Nachfolger für den
Atari 800 beginnen im zweiten Quartal des Jahres 1981 im Steve Mayer's Research Lab in New York, wobei die Entwicklung mehrere Stufen durchläuft. Im August 1981 sind die Produktspezifikationen fertig, der Computer wird zuerst provisorisch
Z800 (Codename
Liz) genannt. Die bisherige Systemarchitektur wird dabei weitgehend übernommen, das Gehäuse und die Platine dabei aber komplett neu gestaltet – im November 1981 wird von Industriedesigner Regan Cheng das kantige und schlanke Design in Weiß- und Brauntönen für die neue Computerbaureihe festgelegt. Der bisher verwendete 6502-Prozessor wird durch ein modifiziertes Modell namens
SALLY ersetzt. Im Februar 1982 wird Z800 in
Sweet-16 (auch
S-16) umgetauft, der Arbeitsspeicher von Ataris Marketingabteilung auf 16 kB festgelegt – was selbst für Anfang 1982 schon arg knapp bemessen ist. Zwei der bisher vier vorhandenen Controllerschnittstellen werden gestrichen, auch der zweite Modulschacht, der am
Atari 800 vorhanden ist, konnte durch neue Technik bei den Steckmodulen entfallen. Am Betriebssystem werden einige Anpassungen und Veränderungen vorgenommen, einige Bereiche werden dabei in komplett andere Adressräume des Festspeichers gelegt – was allerdings eine große Nebenwirkung hatte: Zu nah am System programmierte Software verweigert auf dem 1200XL den Dienst. Atari gab zwar Programmieranweisungen heraus, allerdings hielt sich längst nicht jeder Softwareentwickler an diese. Das Betriebssystem wuchs zudem von bisher 10 auf 16 kB. Der gesamte Computer wird nun als Einplatinensystem geplant, die bisher relativ strikten Vorgaben in Bezug auf elektromagnetische Verträglichkeit durch die FCC wurden entschärft. somit konnte beispielsweise die bisherige massive Aluminium-Druckguss-Abschirmung entfallen, es reichte nun ein einfaches Stahlblech. Die eigentlich bereits eingeplante neue Parallelschnittstelle wurde am 1200XL doch noch nicht eingeführt. Die geplante Handelsbezeichnung des neuen Computers soll nun
Atari 1000 werden – nach dieser Nummer sind dann auch die neu zu entwickelnden Peripheriegeräte zu benennen (bspw.
1010 für ein Kassettenlaufwerk,
1020 für einen Drucker etc.). Im Lauf des zweiten Quartals 1982 wird der Atari 1000 in zwei Modelle mit 16 (Atari 1200) bzw. 64 kB (1200X) Arbeitsspeicher aufgeteilt, zwischendurch findet sich auch die Modellbezeichnung
1200XLS, dessen Prototyp den Modulschacht auf der Oberseite hat. Letztlich legt man sich dann auf ein Modell namens
1200XL (quasi für
400 + 800 Extended Line) und 64 kB Arbeitsspeicher fest. Allerdings bekommt die Abteilung, die für die Peripherie verantwortlich ist, auf Grund interner Kommunikationsprobleme davon wohl nichts mit, denn dort sind die geplanten Handelsbezeichnungen der Zubehörgeräte weiterhin an den Atari 1000 angelehnt, was dann letztendlich aber sogar übernommen wird. Ende Juli 1982 ist der Computer dann soweit, dass die Vorbereitungen zum Anlauf einer Serienproduktion beginnen können, die Prüfung urch die FCC besteht der 1200XL im November. Am 13. Dezember 1982 wird der Computer im Luxushotel The Plaza an der 5
th Avenue in New York auf einer Pressekonferenz als ein vorerst einmal neben dem Atari 800 zu vertreibender Nachfolger erstmals einem Fachpublikum vorgestellt und kommt im März 1983 samt dem neuen Kassettenlaufwerk
1010 in den Handel. Die oben angesprochenen Veränderungen am Betriebssystem und die damit verbundene Inkompatibilität einiger Programme sorgen jedoch für Unmut bei der Kundschaft, auch der verhältnismäßig hohe Preis von $899 hilft nicht gerade bei der Vermarktung (der Commodore 64 kostet bei Markteinführung im August 1982 $595). Letztendlich wird der Computer nach nur 105.000 produzierten Geräten bereits vier Monate nach seinem Erscheinen gegen Ende Juli 1983 wieder eingestellt. Im Mai wird die Produktion nach 78.500 in Sunnyvale gefertigten Geräten ins Ausland zur Atari Taiwan Manufacturing Corporation nach Taipeh verlagert, da der Computer dort günstiger zu produzieren ist – alleine vierzig Prozent des Herstellungspreises gehen zu dieser Zeit für die Beschaffung des Arbeitsspeichers drauf. Das Modell wird nur in Nordamerika vertrieben und ist daher nur als NTSC-Version zu haben. Noch während der 1200XL an den Handel erstmals ausgeliefert wird, laufen bereits die Entwicklungsarbeiten an einem Nachfolger auf Hochtouren, dieser kommt dann im Dezember desselben Jahres als
800XL auf den Markt.
Atari 1200XL Einzelne Bilder zum Vergrößern anklicken |
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Bildquellennachweis:
1200XL Prototyp mit freundlicher Genehmigung von © Curt Vendel |
Größter Unterschied zu den Vorgängermodellen 400 und 800 ist, dass nun alle Komponenten von bisher mehreren verschiedenen auf eine einzige Platine zusammengefasst wurden. Beim SIO-Anschluss fehlen auf Pin 10 die +12V, was ab dieser Serie die Regel wurde. Ein separates BASIC-Steckmodul ist zum Betrieb immer noch erforderlich, sofern kein anderes Steckmodul verwendet wird, ein On-Board-BASIC ist bei diesem Modell noch nicht integriert. Änderungen am SIO-Port beim 1200XL betreffen die Pins 10 (bisher +12V, nun unbelegt) und 12 (bisher +5V, nun unbelegt). Die Tastatur ist mit Kontrollleuchten und zusätzlichen Funktionstasten ausgestattet. Die LEDs
L1 und
L2 sind im Normalfall beide aus – sollten sie leuchten, dann bedeutet:
L1 |
Tastatur deaktiviert |
L2 |
Internationaler Zeichensatz aktiviert |
Die Funktionstasten sind wie folgt belegt:
F1 |
Cursor nach oben |
F2 |
Cursor nach unten |
F3 |
Cursor nach links |
F4 |
Cursor nach rechts |
SHIFT+F1 |
Cursor nach oben links |
SHIFT+F2 |
Cursor nach unten links |
SHIFT+F3 |
Cursor an den Anfang der physischen Zeile |
SHIFT+F4 |
Cursor an das Ende der physischen Zeile |
CTRL+F1 |
Tastatur aktivieren/deaktivieren, Konsolentasten bleiben davon unberührt |
CTRL+F2 |
Bildschirmanzeige aktivieren/deaktivieren |
CTRL+F3 |
Tastaturton aktivieren/deaktivieren |
CTRL+F4 |
Nationaler / internationaler Zeichensatz |
Mainboard |
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Zum Einsatz kommt eine Modifikation des weit verbreiteten 6502 von MOS Technologies unter dem Namen
SALLY (Atari-Teilenummer C014806, manchmal fälschlicherweise – auch von Atari selbst – als 6502C bezeichnet). Der Prozessor kann auf einen Adressraum von 65536 Bytes zugreifen. Der Systemtakt beträgt beim 1200XL 1,79 MHz. Der 1975 eingeführte 6502 ist ein 8-Bit-Mikroprozessor mit 3510 Transistoren und einem 56 Befehle umfassenden Befehlssatz, der Adressbus hat eine Breite von 16 Bit. Verbaut ist er in einem 40-poligen DIP-Gehäuse (
Dual In-line Package). Der Unterschied von SALLY zum Standard-6502 liegt vor allem am an Pin 35 angebrachten HALT-Signal, wodurch Atari vier Chips einsparen konnte, ANTIC und GTIA können somit den Prozessor direkt ohne Umwege zum Anhalten zwingen. An Pin 36 liegt ein Lese- und Schreibsignal (R/W) an. Beide Pins sind beim Standard-6502 nicht belegt.
Alpha-Numeric Television Interface Controller (ANTIC)
Der 40-polige Alpha-Numeric Television Interface Controller (Teilenummer C012296) ist der primäre 2D-Grafik-Coprozessor der 8-Bitter von Atari. Er wurde ab Januar 1977 auf Basis des TIA des Video Computer Systems entwickelt, im August 1977 konnte ein erster handverdrahteter Prototyp präsentiert werden, um den herum dann die Atari Heimcomputer entstanden. Mitgearbeitet haben Joe Decuir, Francois Michel und Steve Smith unter der Federführung von Jay Miner. ANTIC kümmert sich um die Erzeugung der Grafiken, die an den GTIA-Chip geliefert und von diesem eingefärbt werden. Dabei kann er per DMA auf den gesamten Arbeitsspeicher-Bereich zugreifen - während dieser Zugriffe wird übrigens der Hauptprozessor angehalten. Benutzer oder Computer hinterlegen eine sogenannte "Display List" im Arbeitsspeicher, ANTIC wertet diese dann aus und erstellt daraus dann den Bildinhalt. Bei Erreichen oder Verlassen bestimmter Bildschirmpositionen kann ANTIC Unterprogramme ausführen (Display List Interrupt), wodurch zeilenabhängige Manipulationen der Bildschirmanzeige vorgenommen werden können (beispielsweise das Ändern der Farbe). ANTIC unterstützt das Scrolling.
Graphics Television Interface Adapter (GTIA)
Der 40-polige Graphics Television Interface Adapter (NTSC: C014805, PAL: C014889, SECAM: C020120) erschien 1982 als Weiterentwicklung des CTIA und kümmert sich vorwiegend um die Ergänzung der vom ANTIC bereitgestellten Bilddaten. Diese werden in das Hintergrundbild kopiert und einer Kollisionsprüfung unterzogen - eine Methode, die zur vereinfachten Erstellung von Spielen mit interaktiven Objekten und schnellem Spielgeschehen dient. Vom GTIA aus gehen die Bilddaten dann an den HF-Modulator bzw. an die Monitorschnittstelle. Die Farbpalette des GTIA beträgt 16 Farben in jeweils 16 Helligkeitsstufen, was 256 Farbschattierungen entspricht. Der GTIA kümmert sich zudem um die Abfrage der Controllerports und einiger Tasten.
Potentiometer and Keyboard Integrated Circuit (POKEY)
Der 40-polige Potentiometer and Keyboard Integrated Circuit (C012294) ist in erster Linie ein Soundchip, kümmert sich aber auch um die Abfrage der Tastatur und den Betrieb der SIO-Schnittstelle. Er verfügt über vier Tonkanäle mit jeweils einer Rechteckschwigung mit frei einstellbarer Hüllkurve und Frequenz. Einzelne Tonkanäle können paarweise zusammengeschaltet werden. In Zusammenarbeit mit dem Prozessor kann POKEY auch digitalisierte Samples abspielen, die dazu benötigte Rechenleistung des Prozessors ist allerdings recht hoch, weswegen von beispielsweise Sprachausgabe nur sehr selten Gebrauch gemacht wurde. POKEY stellt die verarbeiteten Daten anschließend an den HF-Modulator bzw. die Monitorschnittstelle bereit. Neben den 8-Bit-Computern und der Konsole 5200 findet sich POKEY auch in einigen Atari Arcadespielen sowie in zwei Videospielmodulen für die Konsole 7800 wieder.
Memory Management Unit (MMU)
Der zwanzigpolige Speicherverwaltungschip (Atari-Teilenr. C060618) ermöglicht es, auf die Hardwareregister von ANTIC, GTIA, POKEY und PIA zuzugreifen und steuert nebenbei die System-ROMs sowie das BASIC-ROM. (Im 1200XL werden auch die LED vom MMU-Chip angesteuert). Das PORTB-Register (D301/16) wurde im Unterschied zur 400/800-MMU von einer Eingabe- in eine Ausgabeleitung umgewandelt, worin auch der Grund für die Streichung der Controllerports 3 und 4 bei den XL- und nachfolgende Modellen steckt.
Peripheral Interface Adapter 6520 (PIA)
Bei diesem Chip handelt es sich um einen Standard-Parallel I/O-Chip aus der MOS 6500-Serie, er ist ein funktioneller Nachbau des 1974 erschienenen Motorola MC6820 aus der 6800-Familie. PIA wurde entworfen, um eine einfache Integration in Bussysteme um die Prozessoren der 6800- und 6500-Familien zu ermöglichen. Dafür stehen 20 Ein- und Ausgabeleitungen bereit, die sich in zwei bidirektionale Busse und vier Steuerleitungen aufteilen. Die 8-Bit-Busleitungen können auch als 16 voneinander unabhängige Einzelleitungen genutzt werden, die Datenrichtung (Ein- oder Ausgabe) ist für jedes Bit einzeln steuerbar. Im Atari 1200XL ist PIA vor allem für die Ansteuerung der Controllerschnittstellen zuständig.
Neben den von vier auf zwei reduzierten neunpoligen Controllerschnittstellen, dem RF-Antennenanschluss, dem Modulschacht und dem Monitorport ist die wohl wichtigste Schnittstelle der 8-Bit-Computer von Atari die
SIO-Schnittstelle (
Serial
Input/
Output), sie dient zum Betrieb von intelligenten Peripheriegeräten, die mittels Identifikationsnummern auseinandergehalten werden. Hierbei kommt ein spezielles Übertragungsprotokoll und ein einzigartiger Stecker zum
Einsatz. Peripheriegeräte werden in einer Kette hintereinander an die SIO-Schnittstelle angeschlossen (sogenanntes „Daisy Chaining“), wobei manche Geräte als SIO-Endglied ausgeführt sind. Bei den Geräten mit zwei SIO-Buchsen dient eine
der Kommunikation des Gerätes mit dem Computer (Serial Bus Input), die andere zum Anschluss und zur Verwaltung eines weiteren Gerätes (Serial Bus Extender). Entwickelt wurde die Schnittstelle unter Mitarbeit von Joseph "Joe" Decuir, der Jahre später auch am USB-Standard mitarbeiten wird – SIO kann damit durchaus als Vorläufer von USB betrachtet werden.
Schnittstellen |
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Schnittstellen-Bezeichnung |
Schnittstellen-Typ |
Anschluss für… |
Controller 1 |
D-Sub-Buchse männl., 9-polig, ohne Schraubbolzen |
Joysticks, Trackballs, Paddles, Lightpens, Light Guns, Tabletts etc. |
Controller 2 |
D-Sub-Buchse männl., 9-polig, ohne Schraubbolzen |
Joysticks, Trackballs, Paddles, Lightpens, Light Guns, Tabletts etc. |
SIO |
Molex-Spezialbuchse männl., 13-polig |
Laufwerke, Drucker, Modems |
Cartridge |
Platinensteckbuchse |
Steckmodule |
Monitor |
DIN-Rundbuchse weibl., 5-polig |
Computermonitor, Fernseher (via AV-Kabel) |
Television |
Cinch-Buchse |
Fernsehgerät (via Switchbox und RF-Antennenkabel) |
Power |
Hohlstecker-Buchse |
Netzteil (9V AC, 500 mA) |
Modellinformationen |
Modell |
1200 1200XL 1200XLS |
Hersteller |
Atari, Inc. 1173 Borregas Ave Sunnyvale, CA 94089
USA
Atari Taiwan Manufacturing Corp. 31 Min-Chu Road Tamshui, New Taipei City
Republik China
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Entwicklungsbeginn |
2. Quartal 1981, Steve Mayer's Research Lab, New York |
Vorstellung |
13. Dezember 1982, Pressekonferenz, Luxushotel Plaza, New York |
Im Handel |
März 1983 |
Einstellung der Produktion |
Ende Juli 1983 |
Vorgänger |
Atari 800 (November 1979) |
Nachfolger |
Atari 800XL (Dezember 1983) |
Technik |
Prozessor |
Atari SALLY (Variante des MOS 6502) |
Systemtakt |
1,79 MHz |
Arbeitsspeicher ab Werk (RAM) |
64 kB |
Festspeicher (ROM) |
16 kB |
Betriebssystem |
Atari XL-OS |
Grafikchips |
Atari Alpha Numeric Television Interface Controller (ANTIC) Atari Graphics Television Interface Adapter (GTIA) |
Grafikmodi |
12 Grafikmodi von 20×12 bis 320×192 Pixel, max. 16 Farben gleichzeitig aus 256 Farben |
Soundchip |
Atari Potentiometer and Keyboard Integrated Circuit (POKEY) |
Soundkanäle |
4 PSG |
Tastatur |
Schreibmaschine, 57 Tasten + 11 Funktionstasten |
Abmessungen B×H×T |
37,6 × 7,2 × 32 cm |
Gewicht |
2640 g |
Statistisches |
Neupreis |
$899 (3/83) (entspricht 2020 ca. $2370) |
Produzierte Menge |
105.000 Geräte – davon 78.500 in den USA und 26.500 in Taiwan |
Downloads |
Technische Dokumente |
📋 Tech Tip, No. 12, 16.6.1983: Atari 1200XL: Color Burst/Video Sync
📋 Tech Tip, No. 15, 7.6.1983: Atari 1200XL: Audio Frequency (Sound) Drift
📋 Tech Tip, No. 18a, 29.9.1983: Atari 1200XL: Computer OS
📋 Tech Tip, No. 19, 15.8.1983: Atari 1200XL: No Picture on Star Raiders™ |
Letzte Seitenbearbeitung: 18. Oktober 2023