Im Grunde genommen begannen die Arbeiten an dem Computer, aus dem später der 600XL werden sollte, bereits zeitgleich mit denen am größeren Projekt
Liz, aus dem der
1200XL entstehen sollte, im zweiten Quartal des Jahres 1981 in Steve Mayer's Reserach Lab in New York. Im Laufe der parallel laufenden Entwicklung wurde
Liz-NY bzw.
Sweet-8, wie der kleinere Rechner auch genannt wurde, aber irgendwann zurückgestellt. Ein Prototyp samt Gehäuse wurde bereits angefertigt, er ähnelt dem 600XL schon recht stark, ist aber komplett in braun gehalten und besitzt im hinteren Teil eine geriffelte statt einer glatten Oberfläche. Im März 1983 wurden die Arbeiten dann wieder aufgenommen, dieses Mal sollte der Rechner als kleinere Version des
800XL vertrieben werden. Am 5. Juni 1983 wurde der nun 600XL getaufte Rechner dann auf der Summer CES in Chicago erstmals vorgestellt, schon wenig später begann man in Hong Kong und Taiwan mit der Serienproduktion. Teileknappheit und die desaströse finanzielle Situation Ataris in diesem Jahr sorgten allerdings dafür, dass zum Weihnachtsgeschäft 1983, der wichtigsten Saison im Handel, nur sehr wenige Geräte ausgeliefert werden konnten – da die Produktion des Vorgängermodells
400 bereits seit einem halben Jahr ausgelaufen war und dementsprechend nur noch wenige Lagerbestände vorhanden waren, außerdem der 1200XL vor Monaten vom Markt genommen wurde und der 800XL unter den gleichen Problemen wie der 600XL litt, hatte Atari zu Weihnachten 1983 faktisch keine Rechner im Handel platziert, wohingegen die Konkurrenz, allen voran Apple, Texas Instruments und Commodore, reichlich Reibach machten – was die finanzielle Situation Ataris noch weiter verschärfte und Kunden vergraulte. Erst Anfang 1984 verbesserte sich die Liefersituation. Das Atari-Management zog im Januar 1984 im desaströsen Preiskampf der Branche jedoch die Notbremse und erhöhte die Preise der Systeme um jeweils $50, da man diesen Preiskampf nicht mehr mitmachen wollte. Erst im April 1984 gelangt der Rechner dann auch in den westdeutschen Handel, schon zwei Monate später wurde die Produktion der NTSC-Version eingestellt – mit 16 kB Arbeitsspeicher war das Modell schlicht nicht mehr zeitgemäß. Die Produktion der PAL-Version war quasi bereits im April vorbei, denn seither wurden keine neuen Aufträge mehr an ATMC und Chelco gesendet. Offiziell eingestellt wurde der Computer jedoch erst im September, zwei Monate nach der Übernahme der Consumer Division durch die Tramiels und dem Übergang in die Atari Corporation.
Ausgehend von den Entwicklungsstufen kann man zwei Modelle des 600XL unterscheiden:
600 / Sweet-8 / Liz-NY |
Prototyp, 1982, zurückgestellt |
600XL |
Serienmodell, 1983–84 |
Atari 600XL |
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Bildnachweise
Bilder 2+3 mit freundlicher Genehmigung von Curt Vendel
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Noch keine weiteren Bilder vorhanden Modell seit kurzem in der Sammlung – Bilder folgen |
Größter Unterschied der XL-Serie zu den Vorgängermodellen
400 und
800 ist, dass alle Komponenten nun von verschiedenen auf eine einzige Platine zusammengefasst wurden. Beim SIO-Anschluss fehlen auf Pin 10 die +12V, was ab dieser Serie die Regel wurde. Durch gelockerte Regeln der FCC konnte die bisherige massive Alu-Druckguss-Abschirmung entfallen, stattdessen wird ein einfaches verzinktes Stahlblech zur Abschirmung genutzt. Bei den NTSC-Modellen befindet sich anstelle der Monitorschnittstelle ein Kanalwahl-Schalter.
Mainboard |
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Zum Einsatz kommt eine Modifikation des weit verbreiteten 6502 von MOS Technologies unter dem Namen
SALLY (Atari-Teilenummer C014806, manchmal fälschlicherweise – auch von Atari selbst – als 6502C bezeichnet). Der Prozessor kann auf einen Adressraum von 65536 Bytes zugreifen. Der Systemtakt beträgt beim 1200XL 1,79 MHz. Der 1975 eingeführte 6502 ist ein 8-Bit-Mikroprozessor mit 3510 Transistoren und einem 56 Befehle umfassenden Befehlssatz, der Adressbus hat eine Breite von 16 Bit. Verbaut ist er in einem 40-poligen DIP-Gehäuse (
Dual In-line Package). Der Unterschied von SALLY zum Standard-6502 liegt vor allem am an Pin 35 angebrachten HALT-Signal, wodurch Atari vier Chips einsparen konnte, ANTIC und GTIA können somit den Prozessor direkt ohne Umwege zum Anhalten zwingen. An Pin 36 liegt ein Lese- und Schreibsignal (R/W) an. Beide Pins sind beim Standard-6502 nicht belegt.
Alpha-Numeric Television Interface Controller (ANTIC)
Der 40-polige Alpha-Numeric Television Interface Controller (Teilenummer C012296) ist der primäre 2D-Grafik-Coprozessor der 8-Bitter von Atari. Er wurde ab Januar 1977 auf Basis des TIA des Video Computer Systems entwickelt, im August 1977 konnte ein erster handverdrahteter Prototyp präsentiert werden, um den herum dann die Atari Heimcomputer entstanden. Mitgearbeitet haben Joe Decuir, Francois Michel und Steve Smith unter der Federführung von Jay Miner. ANTIC kümmert sich um die Erzeugung der Grafiken, die an den GTIA-Chip geliefert und von diesem eingefärbt werden. Dabei kann er per DMA auf den gesamten Arbeitsspeicher-Bereich zugreifen – während dieser Zugriffe wird übrigens der Hauptprozessor angehalten. Benutzer oder Computer hinterlegen eine sogenannte "Display List" im Arbeitsspeicher, ANTIC wertet diese dann aus und erstellt daraus dann den Bildinhalt. Bei Erreichen oder Verlassen bestimmter Bildschirmpositionen kann ANTIC Unterprogramme ausführen (Display List Interrupt), wodurch zeilenabhängige Manipulationen der Bildschirmanzeige vorgenommen werden können (beispielsweise das ändern der Farbe). ANTIC unterstützt das Scrolling.
Graphics Television Interface Adapter (GTIA)
Der 40-polige Graphics Television Interface Adapter (NTSC: C014805, PAL: C014889, SECAM: C020120) erschien 1982 als Weiterentwicklung des CTIA und kümmert sich vorwiegend um die Ergänzung der vom ANTIC bereitgestellten Bilddaten. Diese werden in das Hintergrundbild kopiert und einer Kollisionsprüfung unterzogen – eine Methode, die zur vereinfachten Erstellung von Spielen mit interaktiven Objekten und schnellem Spielgeschehen dient. Vom GTIA aus gehen die Bilddaten dann an den HF-Modulator bzw. an die Monitorschnittstelle. Die Farbpalette des GTIA beträgt 16 Farben in jeweils 16 Helligkeitsstufen, was 256 Farbschattierungen entspricht. Der GTIA kümmert sich zudem um die Abfrage der Controllerports und einiger Tasten.
Potentiometer and Keyboard Integrated Circuit (POKEY)
Der 40-polige Potentiometer and Keyboard Integrated Circuit (C012294) ist in erster Linie ein Soundchip, kümmert sichaber auch um die Abfrage der Tastatur und den Betrieb der SIO-Schnittstelle. Er verfügt über vier Tonkanäle mit jeweils einer Rechteckschwigung mit frei einstellbarer Hüllkurve und Frequenz. Einzelne Tonkanäle können paarweise zusammengeschaltet werden. In Zusammenarbeit mit dem Prozessor kann POKEY auch digitalisierte Samples abspielen, die dazu benötigte Rechenleistung des Prozessors ist allerdings recht hoch, weswegen von beispielsweise Sprachausgabe nur sehr selten Gebrauch gemacht wurde. POKEY stellt die verarbeiteten Daten anschließend an den HF-Modulator bzw. die Monitorschnittstelle bereit. Neben den 8-Bit-Computern und der Konsole
5200 findet sich POKEY auch in einigen Atari Arcadespielen sowie in zwei Videospielmodulen für die Konsole
7800 wieder.
Memory Management Unit (MMU)
Der zwanzigpolige Speicherverwaltungschip (Atari-Teilenr. C060618) ermöglicht es, auf die Hardwareregister von ANTIC, GTIA, POKEY und PIA zuzugreifen und steuert nebenbei die System-ROMs sowie das BASIC-ROM. Das PORTB-Register (D301/16) wurde im Unterschied zur 400/800-MMU von einer Eingabe- in eine Ausgabeleitung umgewandelt, worin auch der Grund für die Streichung der Controllerports 3 und 4 bei den XL- und nachfolgende Modellen steckt.
Peripheral Interface Adapter 6520 (PIA)
Bei diesem Chip handelt es sich um einen Standard-Parallel I/O-Chip aus der MOS 6500-Serie, er ist ein funktioneller Nachbau des 1974 erschienenen Motorola MC6820 aus der 6800-Familie. PIA wurde entworfen, um eine einfache Integration in Bussysteme um die Prozessoren der 6800- und 6500-Familien zu ermöglichen. Dafür stehen 20 Ein- und Ausgabeleitungen bereit, die sich in zwei bidirektionale Busse und vier Steuerleitungen aufteilen. Die 8-Bit-Busleitungen können auch als 16 voneinander unabhängige Einzelleitungen genutzt werden, die Datenrichtung (Ein- oder Ausgabe) ist für jedes Bit einzeln steuerbar. Im Atari 600XL ist PIA vor allem für die Ansteuerung der Controllerschnittstellen zuständig.
Neben den zwei neunpoligen Controllerschnittstellen, dem HF-Antennenanschluss, dem Monitorport und dem Parallel Bus Interface (PBI), welches eine direkte Verbindung zum Prozessor darstellt ist die wohl wichtigste Schnittstelle der 8-Bit-Computer von Atari die
SIO-Schnittstelle (SIO = Serial Input/Output), sie dient zum Betrieb von intelligenten Peripheriegeräten, die mittels Identifikationsnummern auseinandergehalten werden. Hierbei kommt ein spezielles Übertragungsprotokoll und ein einzigartiger Stecker zum
Einsatz. Peripheriegeräte werden in einer Kette hintereinander an die SIO-Schnittstelle angeschlossen (sogenanntes „Daisy Chaining“), wobei manche Geräte als SIO-Endglied ausgeführt sind. Bei den Geräten mit zwei SIO-Buchsen dient eine
der Kommunikation des Gerätes mit dem Computer (Serial Bus Input), die andere zum Anschluss und zur Verwaltung eines weiteren Gerätes (Serial Bus Extender). Entwickelt wurde die Schnittstelle von Joe Decuir, der Jahre später auch am USB-Standard
mitarbeiten wird.
Parallel Bus Interface
Das Parallel Bus Interface, kurz PBI, ist eine 50-polige Schnittstelle, ausgeführt als Platinensteckkontakt, die den Systembus des XL nach außen führt, dort sollten Erweiterungen wie beispielsweise die 1090 XL Expansion-Box angeschlossen werden können. Für den 800XL gibt es keine Hardware für den PBI aus dem Hause Atari, von ICD gibt es das Multi I/O Board mit RAM-Disk, parallelen und seriellen Schnittstellen, Spooler und einer Schnittstelle für Festplatten. ähnlich ist die Black Box von CSS, die SCSI, serielle und parallele Schnittstellen, eine Schnittstelle für Diskettenlaufwerke und ein eigenes Menü bietet. An externen Laufwerken gibt es für das Interface das SupraDrive, eine frühe SCSI-Festplatte, sowie das parallele Diskettenlaufwerk Karin Maxi. Auch nach Einstellung der 8-Bit-Computer wurde weiter für das Interface entwickelt, darunter gibt es beispielsweise IDE-Hostadapter oder Speichererweiterungen.
Die Pinbelegung, beginnend mit Pins 1 und 2 auf der linken Seite des PBI, Draufsicht auf die Gehäuserückseite:
External Select |
2 |
|
1 |
Masse |
A(ddress Output)1 |
4 |
3 |
A0 |
A3 |
6 |
5 |
A2 |
A5 |
8 |
7 |
A4 |
Masse |
10 |
9 |
A6 |
A8 |
12 |
11 |
A7 |
A10 |
14 |
13 |
A9 |
A12 |
16 |
15 |
A11 |
A14 |
18 |
17 |
A13 |
A15 |
20 |
19 |
Masse |
D(ata) 1 |
22 |
21 |
D0 |
D3 |
24 |
23 |
D2 |
D5 |
26 |
25 |
D4 |
D7 |
28 |
27 |
D6 |
Masse |
30 |
29 |
Masse |
Masse |
32 |
31 |
Phase 2 Clock Output |
Reset Output |
34 |
33 |
(reserviert) |
Ready Input |
36 |
35 |
IRQ Interrupt Request |
External Decoder Output |
38 |
37 |
— |
Refresh Output |
40 |
39 |
— |
Masse |
42 |
41 |
Column Address Output |
Row Address Strobe |
44 |
43 |
Math Pack Disable Input |
Latch R/W Out |
46 |
45 |
Masse |
+5V |
48 |
47 |
+5V |
Masse |
50 |
49 |
Audio Input |
Schnittstellen |
|
Bezeichnung |
Schnittstellen-Typ |
Anschluss für… |
Controller 1 |
D-Sub-Buchse männl., 9-polig, ohne Schraubbolzen |
Controller aller Art |
Controller 2 |
D-Sub-Buchse männl., 9-polig, ohne Schraubbolzen |
Controller aller Art |
SIO |
Molex-Spezialbuchse männl., 13-polig |
Peripherigeräte |
Cartridge |
Platinensteckbuchse |
Steckmodule |
Parallel Bus Interface |
Platinensteckleiste |
Speichererweiterungen, Erweiterungssysteme |
Monitor (nur PAL) |
DIN-Rundbuchse weibl., 5-polig |
Computermonitor, Fernseher via AV-Kabel |
Television |
Cinch-Buchse |
Fernseher, via Antenneneingang |
Power |
DIN-Rundbuchse weibl., 7-polig |
Netzteil |
Modellinformationen |
Modell |
600XL |
Hersteller |
Atari Taiwan Manufacturing Corp. 31 Min-Chu Road Tamshui, New Taipei City
Republik China
Chelco
Chelco Sound (Hong Kong) Ltd.
British Hong Kong
|
Entwicklungsbeginn |
2. Quartal 1981 als Sweet-8 / Liz-NY, Steve Mayer's Research Lab, New York |
Erstvorstellung |
05.06.1983 (Summer CES, Chicago) |
Im Handel |
11/1983
11/1983
11/1983
04/1984
|
Einstellung der Produktion |
04/1984 (PAL-Modell) (de facto, offiziell erst 09/1984) 06/1984 (NTSC-Modell) |
Technik |
Prozessor |
Atari SALLY (Variante des MOS 6502) |
Taktfrequenz |
1,79 MHz (NTSC) 1,77 MHz (PAL) |
Arbeitsspeicher ab Werk (RAM) |
16 kB |
Festspeicher (ROM) |
24 kB |
Betriebssystem |
Atari XL-OS |
Grafikchips |
Atari Alpha Numeric Television Interface Controller (ANTIC) Atari Graphics Television Interface Adapter (GTIA) |
Grafikmodi |
12 Grafikmodi von 20×12 bis 320×192 Pixel, max. 16 Farben gleichzeitig aus 256 Farben |
Soundchip |
Atari Potentiometer and Keyboard Integrated Circuit (POKEY) |
Soundkanäle |
4 PSG |
Tastatur |
Schreibmaschine, 57 Tasten + 5 Funktionstasten |
Abmessungen B×H×T |
38 × 6 × 16,5 cm |
Gewicht |
1970 g |
Statistisches |
Neupreise und Preisentwicklung |
Land |
Preis |
Monat |
entspr. 2022 |
|
$199 |
11/1983 |
ca. € 604 |
|
$149 |
07/1984 |
ca. € 435 |
|
DM 549 |
04/1984 |
ca. € 530 |
|
£159,99 |
04/1984 |
ca. € 537 |
|
£99,99 |
09/1984 |
ca. € 335 |
|
C$249 |
04/1984 |
ca. € 466 |
|
C$99 |
11/1984 |
ca. € 186 |
|
FF1599 |
11/1984 |
ca. € 471 |
|
L.149000 |
05/1985 |
ca. € 145 |
|
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