Computer wurden in der Musik immer wichtiger – man muss sich ja nur mal die zahlreichen Synthpop-Hits aus dieser Zeit anhören, die sich zu regelrechten Evergreens entwickelt haben. Auch Atari erkannte dies und versuchte sich bereits 1983 mit AMY an einem digitalen Soundprozessor, der ursprünglich im 16-Bit-Projekt
SIERRA eingesetzt werden sollte. Ein 8-Bit-Computer mit entsprechendem Soundprozessor war ab August 1984 unter der Bezeichnung Atari XL/M in Planung, wurde dann kurze Zeit auf Eis gelegt, bevor die Arbeiten unter der Bezeichnung Atari 900XLA im Herbst erneut aufgenommen wurden. Im Januar 1985 wurde der Rechner auf der Winter CES als Atari 65XEM für Frühjahr 1985 angekündigt. Unlösbare Probleme bei der Fertigstellung des Chips und der Implementierung dessen in das 8-Bit-System führten dann aber dazu, dass der Computer im März 1985 von der Projektliste gestrichen wurde. Auch im
Atari ST sollte AMY nach ursprünglicher Planung eigentlich als Audioprozessor eingesetzt werden, auch hier gelang die Integration des Chips in das System letztendlich nicht, sodass auf den bereits existierenden, aber wesentlich leistungsschwächeren GI AY-3-8910 bzw. dessen Derivat Yamaha YM2149 zurückgegriffen wurde.
Atari 65XEM |
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Bildquellennachweis: Mit freundlicher Genehmigung von Curt Vendel
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Zum Einsatz kommt eine Modifikation des weit verbreiteten 6502 von MOS Technologies unter dem Namen
SALLY (Atari-Teilenummer C014806, manchmal fälschlicherweise – auch von Atari selbst – als 6502C bezeichnet). Der Prozessor kann auf einen Adressraum von 65536 Bytes zugreifen. Der Systemtakt beträgt 1,79 MHz bei NTSC-Versionen und 1,77 MHz bei PAL-Versionen. Der 1975 eingeführte 6502 ist ein 8-Bit-Mikroprozessor mit 3510 Transistoren und einem 56 Befehle umfassenden Befehlssatz, der Adressbus hat eine Breite von 16 Bit. Verbaut ist er in einem 40-poligen DIP-Gehäuse (
Dual In-line Package). Der Unterschied von SALLY zum Standard-6502 liegt vor allem am an Pin 35 angebrachten HALT-Signal, wodurch Atari vier Chips einsparen konnte, ANTIC und GTIA können somit den Prozessor direkt ohne Umwege zum Anhalten zwingen. An Pin 36 liegt ein Lese- und Schreibsignal (R/W) an. Beide Pins sind beim Standard-6502 nicht belegt.
Alpha-Numeric Television Interface Controller (ANTIC)
Der 40-polige Alpha-Numeric Television Interface Controller (Teilenummer C012296) ist der primäre 2D-Grafik-Coprozessor der 8-Bitter von Atari. Er wurde ab Januar 1977 auf Basis des TIA des
Video Computer Systems entwickelt, im August 1977 konnte ein erster handverdrahteter Prototyp präsentiert werden, um den herum dann die
Atari Heimcomputer entstanden. Mitgearbeitet haben Joe Decuir, Francois Michel und Steve Smith unter der Federführung von Jay Miner. ANTIC kümmert sich um die Erzeugung der Grafiken, die an den GTIA-Chip geliefert und von diesem eingefärbt werden. Dabei kann er per DMA auf den gesamten Arbeitsspeicher-Bereich zugreifen – während dieser Zugriffe wird übrigens der Hauptprozessor angehalten. Benutzer oder Computer hinterlegen eine sogenannte "Display List" im Arbeitsspeicher, ANTIC wertet diese dann aus und erstellt daraus dann den Bildinhalt. Bei Erreichen oder Verlassen bestimmter Bildschirmpositionen kann ANTIC Unterprogramme ausführen (Display List Interrupt), wodurch zeilenabhängige Manipulationen der Bildschirmanzeige vorgenommen werden können (beispielsweise das ändern der Farbe). ANTIC unterstützt das Scrolling.
Graphics Television Interface Adapter (GTIA)
Der 40-polige Graphics Television Interface Adapter (NTSC: C014805, PAL: C014889, SECAM: C020120) erschien 1982 als Weiterentwicklung des CTIA und kümmert sich vorwiegend um die Ergänzung der vom ANTIC bereitgestellten Bilddaten. Diese werden in das Hintergrundbild kopiert und einer Kollisionsprüfung unterzogen – eine Methode, die zur vereinfachten Erstellung von Spielen mit interaktiven Objekten und schnellem Spielgeschehen dient. Vom GTIA aus gehen die Bilddaten dann an den HF-Modulator bzw. an die Monitorschnittstelle. Die Farbpalette des GTIA beträgt 16 Farben in jeweils 16 Helligkeitsstufen, was 256 Farbschattierungen entspricht. Der GTIA kümmert sich zudem um die Abfrage der Controllerports und einiger Tasten.
Potentiometer and Keyboard Integrated Circuit (POKEY)
Der 40-polige Potentiometer and Keyboard Integrated Circuit (C012294) ist in erster Linie ein Soundchip, kümmert sichaber auch um die Abfrage der Tastatur und den Betrieb der SIO-Schnittstelle. Er verfügt über vier Tonkanäle mit jeweils einer Rechteckschwigung mit frei einstellbarer Hüllkurve und Frequenz. Einzelne Tonkanäle können paarweise zusammengeschaltet werden. In Zusammenarbeit mit dem Prozessor kann POKEY auch digitalisierte Samples abspielen, die dazu benötigte Rechenleistung des Prozessors ist allerdings recht hoch, weswegen von beispielsweise Sprachausgabe nur sehr selten Gebrauch gemacht wurde. POKEY stellt die verarbeiteten Daten anschließend an den HF-Modulator bzw. die Monitorschnittstelle bereit. Neben den 8-Bit-Computern und der Konsole
5200 findet sich POKEY auch in einigen Atari Arcadespielen sowie in zwei Videospielmodulen für die Konsole
7800 wieder.
FREDDIE
Der 40-polige Multiplexer-Chip FREDDIE (Atari-Teilenummer C061991) war ursprünglich zum Einsatz in den professionellen Modellen
1400XL und
1450XLD vorgesehen, wurde – da bereits fertig und auf Lager – ab Sommer 1984 dann aber im 800XL sowie den Modellen der XE-Serie integriert. FREDDIE ermöglicht es dank Bankswitching, mehrere Speicherbänke anzusprechen, wodurch auch mehr als die vom 6502 ansprechbaren 64 kB Arbeitsspeicher möglich sind, da FREDDIE immer nur die eine benötigte Bank für den Prozessor einblendet. Außerdem ließen sich dank FREDDIE einige Logikschaltungen auf dem Mainboard streichen, was zusätzliche Kostenersparnis in der Herstellung bedeutete.
Memory Management Unit (MMU)
Der zwanzigpolige Speicherverwaltungschip (Atari-Teilenr. C060618) ermöglicht es, auf die Hardwareregister von ANTIC, GTIA, POKEY und PIA zuzugreifen und steuert nebenbei die System-ROMs sowie das BASIC-ROM. Das PORTB-Register (D301/16) wurde im Unterschied zur 400/800-MMU von einer Eingabe- in eine Ausgabeleitung umgewandelt, worin auch der Grund für die Streichung der Controllerports 3 und 4 bei den XL- und nachfolgende Modellen steckt.
Soundprozessor AMY
AMY entstand in den
Atari Sunnyvale Research Laboratories ab 1983 als ein möglicher Soundprozessor für den 16/32-Bit-Computer
SIERRA. Der Chip ist das einzige, was von den Arbeiten der ASRL am
Rainbow-Chipsatz von den Tramiels schließlich übernommen wurde, allerdings gelang es angeblich nicht, den Chip in die XE-Computer einzubinden. Später aufgetauchte Dokumente belegen allerdings, dass AMY im XEM sehr wohl funktioniert hätte, vermutlich wurde der Chip schlicht aus Kostengründen gestrichen. Bereits 1983 wurden die Fähigkeiten des Chips demonstriert, indem man ihn zunächst einen weiblichen Opernpart abspielen ließ und ihm dann im Anschluss per Programmierung befahl, den selben Part in einer männlichen Stimme vorzutragen. Shiraz Shivji wollte AMY ursprünglich auch im TTL-Projekt RBP einsetzen, aus dem später der
Atari ST hervorging. Allerdings wäre es hier in der Tat schwierig gewesen, den Soundchip innerhalb weniger Monate in das bereits mit einem Yamaha-Soundchip geplante System zu integrieren.
AMY, zwischenzeitlich auch AMY-1, besteht aus 37.000 Transistoren und verfügt über bis dahin unbekannte Synthesizer-Fähigkeiten. Mit Hilfe des Soundprozessors sollte der 65XEM über stark erweiterte Audioeigenschaften verfügen, dazu gehören eine digitale Samplerate von 30 kHz mit einer dynamischen Reichweite von 60 dB. Die Frequenz-Bandbreite reicht von 4,8 Hz bis 7,8 kHz –10
2/
3 Oktaven und unterscheidet Tonabstufungen zu
1/
64. Weiterhin sollte eine präzise Kontrolle der harmonischen Amplituden möglich sein. AMY arbeitet achtstimmig.
Neben den zwei neunpoligen Controllerschnittstellen, dem HF-Antennenanschluss und dem Monitorport ist die wohl wichtigste Schnittstelle der 8-Bit-Computer von Atari die SIO-Schnittstelle (SIO = Serial Input/Output), sie dient zum Betrieb von intelligenten Peripheriegeräten, die mittels Identifikationsnummern auseinandergehalten werden. Hierbei kommt ein spezielles Übertragungsprotokoll und ein einzigartiger Stecker zum Einsatz. Peripheriegeräte werden in einer Kette hintereinander an die SIO-Schnittstelle angeschlossen (sogenanntes „Daisy Chaining“), wobei manche Geräte als SIO-Endglied ausgeführt sind. Bei den Geräten mit zwei SIO-Buchsen dient eine der Kommunikation des Gerätes mit dem Computer (Serial Bus Input), die andere zum Anschluss und zur Verwaltung eines weiteren Gerätes (Serial Bus Extender). Entwickelt wurde die Schnittstelle von Joe Decuir, der Jahre später auch am USB-Standard
mitarbeiten wird.
Schnittstellen |
Bezeichnung |
Schnittstellen-Typ |
Anschluss für… |
Controller 1 |
D-Sub-Buchse männl., 9-polig, ohne Schraubbolzen |
Controller aller Art |
Controller 2 |
D-Sub-Buchse männl., 9-polig, ohne Schraubbolzen |
Controller aller Art |
SIO |
Molex-Spezialbuchse männl., 13-polig |
Peripherigeräte |
Cartridge |
Platinensteckbuchse |
Steckmodule |
Monitor |
DIN-Rundbuchse weibl., 5-polig |
Computermonitor, Fernseher via AV-Kabel |
Television |
Cinch-Buchse |
Fernseher, via Antenneneingang |
Power |
DIN-Rundbuchse weibl., 7-polig |
Netzteil |
Modellinformationen |
Modellnummern |
XL/M (ursprünglich)
900XLA (vorläufig)
65XEM (final) |
Entwicklung |
Atari Corp. 1196 Borregas Ave Sunnyvale, CA 94086
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Entwicklungsbeginn |
08/1984 |
Ankündigung |
13.08.1984 (als Atari XL/M)
05.01.1985 (als Atari 65XEM) |
Status |
unveröffentlicht
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Technische Informationen |
Prozessor |
Atari SALLY (Variante des MOS 6502) |
Taktfrequenz |
1,79 MHz |
Arbeitsspeicher ab Werk (RAM) |
64 kB |
Festspeicher (ROM) |
24 kB |
Betriebssystem |
Atari XL-OS Rev. 2 |
Grafikchips |
Atari Alpha Numeric Television Interface Controller (ANTIC) Atari Graphics Television Interface Adapter (GTIA) |
Grafikmodi |
12 Grafikmodi von 20×12 bis 320×192 Pixel, max. 16 Farben gleichzeitig aus 256 Farben |
Soundchip |
Atari Potentiometer and Keyboard Integrated Circuit (POKEY) + Atari AMY |
Soundkanäle |
8 digital |
Tastatur |
Schreibmaschine, 57 Tasten + 5 Funktionstasten |
Abmessungen B×H×T |
35 × 6 × 23,3 cm |
Gewicht |
1800 g |
Letzte Seitenbearbeitung: 9. Juni 2024